BRAWO GROUP Jahresbericht 2023

Haben Sie als studierter Wirtschaftswissenschaftler in dieser Zeit bestimmte ökonomische Szenarien vorhergesehen? Wie groß war Ihr Einfluss auf die erfolgreiche Entwicklung, strategische Ausrichtung und essenzielle Diversifikation der Volksbank BRAWO? „So ein Studium wird oftmals überschätzt und hilft in den meisten Dingen des Lebens nur bedingt. Das, was ich von der Uni mitgenommen habe, sind ein paar wirtschaftliche Zusammenhänge und strukturierte Arbeitsweisen – auch in anderen Ländern – zu verstehen. Das war’s. In meinem ganzen Berufsleben gab es ständig irgendwelche seltenen Jahrhundertereignisse, Krisen, Skandale und undenkbare Dinge, dass ich mir abgewöhnt habe zu versuchen, etwas vorherzusehen. Man muss als Führungskraft Leitplanken setzen und darf nie satt und zufrieden sein, sondern immer auf der Suche nach neuen coolen Dingen bleiben. Der Rest ergibt sich dann von selbst. Und mein Einfluss? Hm, schwer zu sagen. Ich würde bei rund 760 Mitarbeitern sagen: 1/760. Ohne die richtige Mannschaft kann der beste Trainer oder Co-Trainer allein auch nichts bewegen.“ Was waren seit Ihrem Beginn die grundlegendsten Veränderungen bei der Volksbank BRAWO – und was muss sich aktuell und zukünftig verändern? „Die Geschäftsbereiche und die Strukturen. Damals hatten wir vereinfacht gesprochen einen Leiter Privatkunden, einen Leiter Firmenkunden und einen Leiter Marktfolge. Das wars. Und wir haben uns nur um Kredite und Geldanlagen in klassischen Bankprodukten gekümmert. Letzteres deckte dann nur 20 Prozent der gesamten Vermögensbildung eines deutschen Bürgers ab. Um die restlichen 80 Prozent der Torte, nämlich Immobilien und Versicherungen, haben wir uns gar nicht gekümmert. Das kam dann erst nach und nach. Ich glaube, dass wir aktuell zu viele Schnittstellen und Reibungsverluste in der Bank haben. Da stünde uns eine Schlankheitskur bzw. ein Fitnesskurs mal wieder gut zu Gesicht.“ Welche Rolle spielte dabei die fortschreitende Digitalisierung? „Das ist natürlich ein essenzielles Thema und hat auch mich stetig begleitet. Ich kann mich z. B. noch gut an unsere Projektgruppe Internet erinnern. Da haben wir vor über 20 Jahren u. a. das Internet Brokerage eingeführt und waren ganz schön aufgeregt, als wir die ersten Aktien per Knopfdruck in einer Mitarbeiterveranstaltung ordern konnten. Ich weiß gar nicht mehr, was wir da gekauft haben. Wahrscheinlich eine VW- oder eine Siemens-Aktie. Aber es war cool und auf Augenhöhe mit Consors, DAB Bank und Co. war es schon … Auch wenn wir als BRAWO im Genossenschaftsverbund offenbar in Sachen Digitalisierung aktuell ziemlich weit vorne sind, so sieht das branchenübergreifend nicht so besonders aus. Ich bin mir sicher, dass noch ganz viele Funktionen einfach wegfallen werden und – wenn man im Wettbewerb bestehen will – auch müssen. Auch dank KI werden wir die Bank in fünf bis zehn Jahren mal wieder nicht wiedererkennen. Im positiven Sinne und – keine Angst – wir brauchen den Menschen weiterhin, nur eben mit teilweise anderen Aufgaben.“ Wer sind unsere Kunden und wie haben sich deren Ansprüche gewandelt? „Durch die ,neuen‘ Elemente der BRAWO GROUP sprechen wir weit mehr Kunden an als früher. Ich hatte ja eben schon die 20 Prozent/80 Prozent Verteilung genannt. Wir steuern die 100 Prozent an. Es gibt nur noch wenige Finanzdienstleisterthemen, für die wir keine passende Lösung im Portfolio haben.“ FINANCE Interview Mark Uhde

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